Das an eine Versicherte adressierte Schreiben eines Rentenversicherungsträgers, in dem ausgeführt wird, dass die Versicherte die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt und ihr deshalb ab einem konkret benannten Zeitpunkt eine solche Rente zu gewähren wäre, kann eine Zusicherung iS des § 34 SGB X sein.
Das an eine Versicherte adressierte Schreiben eines Rentenversicherungsträgers, in dem ausgeführt wird, dass die Versicherte die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt und ihr deshalb ab einem konkret benannten Zeitpunkt eine solche Rente zu gewähren wäre, kann eine Zusicherung iS des § 34 SGB X sein.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1964 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Zuletzt war sie selbständig tätig und betrieb einen Grillwagen. Ihr Versicherungskonto weist Pflichtversicherungszeiten bis zum 26.10.2007 auf und danach noch vom 01.08.2011 bis 31.12.2012, vom 01.08.2013 bis 07.12.2014 wegen Beschäftigung, vom 08.12.2014 bis 30.08.2015 und vom 27.09.2015 bis 29.02.2016 aufgrund des Bezuges von Sozialleistungen (Krankengeld) sowie vom 06.06.bis 05.07.2016 wiederum wegen Ausübung einer Beschäftigung.
Vom 03.06.2015 bis 15.07.2015 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Z.-Klinik S.. B. teil, aus der sie mit den Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode, chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eines LWS-Syndroms mit rezidivierenden Belastungsbeschwerden und deutlicher Funktionseinschränkung, eines Zervikobrachialsyndroms mit Belastungsbeschwerden und Funktionseinschränkung, eines Impingement-Syndroms beider Schultergelenke sowie eines Plasmozytoms und einer Adipositas mit einem Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde.
Am 23.02.2016 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, seit 27.10.2014 arbeitsunfähig zu sein. Sie gehe davon aus, dass sie seit dem Jahr 2014 erwerbsgemindert sei und zwar aufgrund ihrer Psyche, Knochenmarkkrebs und Schulter- und HWS-Problemen. Im ärztlichen Befundbericht vom 20.04.2016 diagnostizierte der behandelnde Arzt Dr. Z. eine depressive Episode, zur Zeit mittelschwer, eine anhaltende Dysthymia sowie eine anhaltende chronische Schmerzstörung. Die Erkrankung sei seit etwa 2010 bekannt. Die von der Beklagten konsultierte Beratungsärztin Dr. M. ging in ihrer Stellungnahme vom 22.04.2016 von einem Leistungsvermögen von nur noch unter drei Stunden aus (Bl 19 blaue V-Akte).
Am 02.05.2016 erging ein Schreiben der Beklagten mit folgendem Wortlaut:
Sehr geehrte Frau D.,
nach unseren Feststellungen haben Sie die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt. Eine volle Erwerbsminderungsrente wäre Ihnen deshalb ab 01.11.2014 zu gewähren. Die nähere Begründung können Sie dem noch zu erteilenden Bescheid entnehmen.
Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung im Kalenderjahr 2014 monatlich 450,00 EUR (brutto). Wird die Grenze überschritten, ist zu prüfen, ob die Rente wegen voller Erwerbsminderung als Teilrente gezahlt werden kann. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte, in Höhe von einem Viertel gezahlt. Bei Überschreiten der höchsten Hinzuverdienstgrenze wird eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht geleistet. Für die Ermittlung der persönlichen Hinzuverdienstgrenze sind die Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit, mindestens jedoch 1,5000 Entgeltpunkte, maßgebend. Aus den von Ihnen in den letzten drei Kalenderjahren vor Eintritt der Erwerbsminderung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten errechnen sich folgende Hinzuverdienstgrenzen:
Die Hinzuverdienstgrenze wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bzw. das einer Sozialleistung zugrundeliegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen die vorgenannten Beträge nicht übersteigt. Bei Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit ist ein zweimaliges Überschreiten bis zum Doppelten der für einen Monat geltenden Hinzuverdienstgrenze möglich. Mehrere Beschäftigungen und selbständige Tätigkeiten werden zusammengerechnet. Um überprüfen zu können, ob und ggf. in welcher Höhe Ihnen die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht, bitten wir mittels beigefügtem Vordruck um Mitteilung, ob und ggf. in welchem Umfang Sie über den hinaus Ihre Tätigkeit weiterhin ausüben oder ob Sie Sozialleistungen beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg
Diesem Schreiben vom 02.05.2016 war ein Vordruck „Rückantwort zum Schreiben vom 02.05.2016“ beigefügt (vgl Bl 23 Rentenakte), das folgenden Hinweis enthielt:
Um sachgerecht über Ihren Antrag entscheiden zu können, benötigen wir aufgrund des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) von Ihnen einige wichtige Informationen und Unterlagen. Wir möchten Sie deshalb bitten, die gestellten Fragen vollständig zu beantworten und uns die erbetenen Unterlagen möglichst umgehend zu überlassen. Ihre Mithilfe, die in §§ 60 – 65 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB I) ausdrücklich vorgesehen ist, erleichtert uns eine rasche Erledigung Ihrer Angelegenheiten. Bitte bedenken Sie, dass wir Ihnen, wenn Sie uns nicht unterstützen, die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen dürfen (§ 6 SGB I).
Unter dem 23.05.2016 füllte die Klägerin den Vordruck aus und gab an, ihre selbständige Tätigkeit im Bereich Hähnchenbraterei in ein paar Wochen aufzugeben. Diese Rückantwort ging am 25.05.2016 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 11.07.2016 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei seit dem 27.10.2014 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Im maßgeblichen Zeitraum vom 27.10.2009 bis zum 26.10.2014 weise das Versicherungskonto der Klägerin jedoch statt der erforderlichen 36 Monate nur 32 Monate mit Pflichtbeiträgen auf. Der von der Klägerin hiergegen eingelegte Widerspruch, sie habe seit 11.03.2010 bis 31.12.2010 sowie vom 01.03.2013 bis 31.07.2013 zwei geringfügige Beschäftigungen ausgeübt und damit über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen, so dass die Rente zu Unrecht abgelehnt worden sei, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2018 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.02.2018 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat diese im Wesentlichen damit begründet, dass die Erwerbsminderung erst nach der Entlassung aus der Z.-Klinik und damit erst nach dem 15.07.2015 eingetreten sei. Dies zeige sich daran, dass sie aus der Z.-Klinik noch als erwerbsfähig entlassen worden sei.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 09.07.2018 von einer einmaligen Behandlung am 14.04.2018 berichtet und angegeben, dass er aufgrund dieses Umstandes keine Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts einer Erwerbsminderung machen könne. Der Allgemeinmediziner und Hausarzt der Klägerin Dr. S. hat mit Schreiben vom 25.07.2018 von einer mittelgradigen Depression, einem chronischen Schmerzsyndrom bei zervikalem Bandscheibenschaden mit Radiculopathie und zervikaler Spinalkanalstenose, einem Karpaltunnelsyndrom rechts sowie einer Supraspinatussehnenteilruptur rechts mit mittelgradiger Muskelatrophie und AC-Gelenksarthrose berichtet und angegeben, er gehe davon aus, die Klägerin sei seit dem 27.10.2014 nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten mehr als 6 Stunden arbeitstäglich auszuüben. In ihrer Stellungnahme vom 01.08.2018 hat die Oberärztin an der Medizinischen Klinik der Universität T. Abteilung Innere Medizin II Prof. Dr. W. von einem Smouldering Multiplen Myelom, Erstdiagnose Juli 2010, und einer depressiven Verstimmung berichtet. Sie hat ausgeführt, dass der Zeitpunkt des Eintritts einer Erwerbsminderung nicht sicher einzuordnen sei. Aus den vorliegenden Aufzeichnungen werde rückblickend davon ausgegangen, dass eine solche seit 2015 bestehe, da die Klägerin seit diesem Zeitpunkt über zunehmende Einschränkungen der allgemeinen Leistungsfähigkeit berichtet habe.
Die Beklagte hat vorgetragen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien erstmalig ab dem 14.02.2015 erfüllt.
Mit Urteil vom 22.10.2019 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Offenbleiben könne hierbei, ob die Klägerin tatsächlich dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Jedenfalls habe sie nicht nachweisen können, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem im Zeitraum von 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden gewesen seien. Nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Berichte und medizinischen Unterlagen könne das Gericht nicht vom Nachweis eines Leistungsfalles ab Februar 2015 ausgehen. Während sich Dr. S. aufgrund des Umstandes, dass er die Klägerin lediglich einmalig im April 2018 behandelt habe, nicht zum Eintritt eines Leistungsfalles äußere, gehe Prof. Dr. W. von einem Leistungsfall im Jahr 2015 aus, ohne näher zu konkretisieren, ob ein solcher vor dem 14.02.2015 oder danach eingetreten sei. Zwar spreche für einen Leistungsfall erst nach dem genannten Datum der Umstand, dass im Entlassbericht der Z.-Klinik St. B. vom 27.07.2015 noch von einer vollen Erwerbsfähigkeit ausgegangen werde. Allerdings spreche klar gegen einen solch späten Leistungsfall der Umstand, dass der Allgemeinmediziner Dr. S., der die Klägerin seit dem Jahr 2010 wohl am häufigsten und regelmäßigsten gesehen und untersucht habe, davon ausgehe, dass bereits seit dem 27.10.2014 eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht bestehe. Dies decke sich auch mit den eigenen Angaben der Klägerin im Rentenantrag. Dort habe sie angegeben, bereits seit dem Jahr 2014 erwerbsgemindert zu sein. Vor diesem Umstand könne das Gericht nicht vom Nachweis des Eintritts einer Erwerbsminderung nach dem 14.02.2015 ausgehen, weshalb die Klage abzuweisen sei.
Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 30.10.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.11.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen. Prof. Dr. W. sei ergänzend zu befragen, da sie den Eintritt der Erwerbsminderung nicht konkret genug benannt habe. Gleiches gelte für Dr. S.. Im Übrigen spiegele der Entlassungsbericht der Z.-Klinik die Situation der Klägerin detailliert wider. Bei dem Schreiben vom 02.05.2016 - das die Klägerin erst im Berufungsverfahren erstmalig vorgelegt hat und das sich nicht in der Verwaltungsakte befand - handele es sich im Übrigen um eine Zusicherung gemäß § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), so dass der Ablehnungsbescheid vom 11.07.2016, der unter Missachtung dieser Zusicherung ergangen sei, rechtswidrig sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.10.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2018 zu verurteilen, ihr begründend auf einen Antrag vom 23.02.2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hat in Bezug auf das Schreiben vom 02.05.2016 dargelegt, es handele sich zwar um eine Zusicherung iSd § 34 SGB X, doch sei in der Folge der Bescheid vom 11.07.2016 ergangen, so dass sich das Schreiben vom 02.05.2016 erledigt habe. Dies müsse die Klägerin erkannt haben, so dass ein Vertrauen in den Bestand dieses Schreibens nicht weiter bestehe.
Der Senat hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens betraut, der nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 18.08.2020 folgende Diagnosen gestellt hat:
1. Dysthyme Verstimmung im Kontext mit Belastungen/Konflikten im psychosozialen Hintergrund bei durchaus gut erhaltener inhaltlicher wie auch affektiver Auslenkbarkeit (siehe psychopathologischer Befund).
2. Akzentuierte Persönlichkeitszüge (von jeher vorbestehend; zu beschreiben jedoch nicht im Sinne einer krankheitswertigen Störung).
3. Nikotinabusus: 20 angegebene Zigaretten.
4. Offenkundig vorbekanntes Carpaltunnelsyndrom beidseits; klinisch keine überdauernden sensomotorischen Ausfälle begründend; einer spezifischen Therapie zugängig; auch unbehandelt jetzt keine weiterreichenden, insbesondere etwa quantitativen Leistungseinschränkungen begründend. Darüber hinaus ergäben sich klinisch wie elektrophysiologisch keine Hinweise für neurologische Störungen.
5. Adipositas (72 Kilogramm, 150 Zentimeter).
6. Seit 2010 bekanntes Myelom, kontroll- aber nicht behandlungsbedürftig; auch nicht mit klinischen Beschwerden einhergehend
7. Angegebene Kniegelenks- oder Schienbeinbeschwerden, den Angaben nach auch bereits seit 2010, klinisch wie elektrophysiologisch nicht mit neurologischen Auffälligkeiten einhergehend.
Aus nervenärztlicher Sicht seien körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig möglich, jedoch nur zu ebener Erde; nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne regelmäßigen Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, ohne fordernde soziale Interaktionen, auch ohne Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht.
Im Rahmen eines Erörterungstermins am 08.12.2020 hat der Beklagtenvertreter dargelegt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien letztmalig im Oktober 2017 erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung ist zulässig und auch begründet. Sie hat einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Rente ab dem 01.02.2016.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.
Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Der Senat lässt offen, ob die Klägerin voll oder teilweise erwerbsgemindert ist, wann dieser Zustand ggf eingetreten ist und ob zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Ein Anspruch der Klägerin folgt jedenfalls aus dem Schreiben der Beklagten vom 02.05.2016. Hierbei handelt es sich um eine Zusicherung gemäß § 34 SGB X, nämlich eine durch die zuständige Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Die Zusicherung ist eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen. Mit ihr verpflichtet sich die Behörde bereits vorab, den Fall später in der zugesicherten Weise zu regeln (LSG Nordrhein-Westfalen 07.04.2003, L 3 RA 42/02, juris, mwN; LSG Baden-Württemberg 19.02.2013, L 13 R 4059/12, Rn 27 - 30, juris). Ob eine Zusage mit Verpflichtungswillen oder nur eine Auskunft ohne Verpflichtungswillen erteilt werden sollte, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist das gesamte Verhalten des Erklärenden zu berücksichtigen. Neben dem Erklärungswortlaut kommt es auch auf die Begleitumstände, insbesondere den Zweck der Erklärung an. Das danach maßgebende Gesamtverhalten ist vom Standpunkt dessen zu bewerten, für den die Erklärung bestimmt ist. Maßgebend ist nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern der erklärte Wille, wie ihn bei objektiver Würdigung der Empfänger verstehen durfte (vgl nur BSG 08.12.1993, 10 RKg 19/92, SozR 3-1300 § 34 Nr 2). Maßgebend ist also nicht, was die Verwaltung mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern wie der Empfänger sie verstehen durfte (BSG 08.12.1993 aaO; LSG Hamburg 28.08.1997, VI JBF 78/96, Rn 20, juris; Bayerisches LSG 27.06.2017, L 13 R 12/15, Rn 58 - 60, juris). Immer dann, wenn die Behörde allgemeine Aussagen trifft und sich nicht auf einen konkreten Sachverhalt bezieht, wird regelmäßig kein Verpflichtungswille vorliegen. Anders ist es, wenn sie einem Auskunftssuchenden mitteilt, er werde einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung haben, sofern er bestimmte Voraussetzungen erfüllt (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 04/18, § 34 SGB X, Rn 11). Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte die Klägerin das Schreiben der Beklagten vom 02.05.2016 nur als Zusicherung verstehen mit dem Inhalt, ihr werde eine Erwerbsminderungsrente gewährt, die nur noch der Höhe nach abhängig von ihrem Hinzuverdienst näher zu bestimmen sei. Für diese Auslegung sprechen insbesondere die Umstände des Zustandekommens dieses Schreibens. Die Klägerin hatte rund zwei Monate zuvor, nämlich am 23.02.2016, einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt, so dass eher mit einem Bescheid als mit einer bloßen Rentenauskunft zu rechnen war. Die Beklagte erteilte in diesem Schreiben auch nicht etwa unverbindlich im Sinne des § 109 Abs 4 Ziff 5 SGB VI allgemeine Hinweise zur Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch, sondern schrieb ganz konkret, die Klägerin erfülle die versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die Rente wäre ihr deshalb ab 01.11.2014 zu gewähren und die nähere Begründung könne dem noch zu erteilenden Bescheid entnommen werden. Der übrige Text dieses Schreibens befasst sich mit der Hinzuverdienstgrenze, gleiches gilt für das beigefügte Schreiben, das die Klägerin noch ausfüllen und in dem sie insbesondere darlegen sollte, wann und ob sie ihre selbständige Tätigkeit aufgeben würde und ob sie Sozialleistungen bezöge. Beide Schreiben konnte die Klägerin nur so verstehen, dass einzig die Höhe der Leistung in Anbetracht etwaiger Hinzuverdienste noch nicht feststand, während der Anspruch auf die begehrte Rente dem Grunde nach bereits von der Beklagten verbindlich bejaht worden war. An dieser Auslegung ändert auch der Zusatz am Ende des Schreibens vom 02.05.2016 nichts. Hier schreibt die Beklagte Folgendes: „Um überprüfen zu können, ob und ggf. in welcher Höhe Ihnen die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht, bitten wir mittels beigefügtem Vordruck um Mitteilung, ob und ggf in welchem Umfang Sie über den hinaus Ihre Tätigkeit weiterhin ausüben oder ob Sie Sozialleistungen beziehen.“ Zwar verwendet die Beklagte hier das Wort „ob“, doch durch die Bezugnahme auf die weiterhin ausgeübte Tätigkeit bzw die Inanspruchnahme von Sozialleistungen wird auch hier deutlich, dass es nicht mehr um den Anspruch dem Grunde nach geht, sondern nur noch um die Höhe bzw die Frage, ob ein Zahlungsanspruch entfällt wegen zu hohen Einkommens. Es liegt somit eine Zusicherung vor. Die fehlende Kennzeichnung als Bescheid und das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung sind unerheblich. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Höhe der Rente nicht bestimmt wurde. Dies mag einer Bewertung der Mitteilung vom 02.05.2016 als Zusage einer bezifferten Rente entgegenstehen, nicht jedoch einer Bewertung als Zusage dem Grunde nach (so auch LSG Hamburg 28.08.1997, VI JBF 78/96, Rn 20, juris). Die Wirksamkeit der Zusicherung scheitert auch nicht am Bestimmtheitsgebot, weil etwa die Höhe der Rente nicht festgelegt wird. Zwar besteht ein Anspruch auf eine Zusicherung als ein der eigentlichen Leistungsbewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt wegen des Bestimmtheitsgebots in § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X nur, wenn der Gegenstand des zuzusichernden Verwaltungsakts und der zugrundeliegende Sachverhalt bereits im Zeitpunkt der behördlichen Erklärung hinreichend konkretisiert sind (BSG 17.12.2014, B 8 SO 15/13 R, Rn 10, juris). Nicht erforderlich ist jedoch, dass der künftige Verwaltungsakt bereits in allen Einzelheiten im Sinne des § 33 SGB X hinreichend bestimmt ist (Kepert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl, § 34 SGB X [Stand: 01.12.2017], Rn 16; LSG Niedersachsen-Bremen 26.05.2016, L 8 SO 166/12, Rn 31, juris; vgl auch BSG 08.12.1993, 10 RKg 19/92, SozR 3-1300 § 34 Nr 2, SozR 3-1300 § 33 Nr 2, Rn 20; aA wohl LSG Berlin-Brandenburg 23.02.2017, L 32 AS 945/15, Rn 61 - 65, juris). Vielmehr kann der konkrete Inhalt des Verwaltungsakts erst später bei seinem Erlass festgelegt werden, es müssen in der Zusicherung nur die Art und der Regelungsgegenstand festgelegt werden, die sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen müssen. Denn wenn der zu erlassende Verwaltungsakt bereits in der Zusicherung in allen Einzelheiten enthalten wäre, beinhaltete sie ihn bereits. Das Wesen der Zusicherung liegt jedoch darin, dass der Verwaltungsakt selbst erst in der Zukunft erlassen wird (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 04/18, § 34 SGB X, Rn 9 mwN).
Anders als die Beklagte meint, hat sich diese Zusicherung nicht durch den nachfolgenden Bescheid vom 11.07.2016 erledigt. Gemäß § 34 Abs 2 SGB X finden auf die Unwirksamkeit der Zusicherung, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1 dieser Bestimmung, § 40 SGB X, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 41 Abs 1 Nr 3 bis 6 sowie Abs 2 SGB X, auf die Rücknahme §§ 44 und 45 SGB X, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, §§ 46 und 47 SGB X entsprechende Anwendung. Durch die Verweisung auf die §§ 44 und 45 SGB X wird deutlich, dass es einer ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Aufhebung der Zusicherung bedurft hätte, um ihre Wirkung zu beseitigen. Da indes die Zusicherung bzw das Schreiben vom 02.05.2016 im Bescheid vom 11.07.2016 mit keinem Wort erwähnt wird und sich auch aus den Umständen kein konkludenter Aufhebungswille ergibt – vielmehr war sich die Beklagte offenbar der Notwendigkeit einer Aufhebung der Zusicherung nicht bewusst, wie ihre heutige Argumentation zeigt -, hat die Zusicherung weiterhin Bestand. Sie ist zwar fehlerhaft, weil darin unzutreffenderweise das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem Leistungsfall im Oktober 2014 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) bejaht wird und zudem eine Rente bereits ab 01.11.2014 in Aussicht gestellt wird, obwohl der Antrag erst im Februar 2016 gestellt wurde, doch ist auch eine rechtswidrige Zusicherung verbindlich, sofern sie nicht nichtig ist im Sinne des § 40 SGB X. Derart schwerwiegende Fehler, die zur Nichtigkeit führen, sind jedoch nicht ersichtlich. Die Bindungswirkung ist auch nicht wegen einer wesentlichen Änderung entfallen. Gemäß § 34 Abs 3 SGB X ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Eine solche Änderung der Sach - oder Rechtslage ist hier nicht eingetreten, da sich weder am Gesundheitszustand der Klägerin noch an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Erlass der Zusicherung etwas verändert hat.
Der Klägerin steht somit ein Anspruch auf Rente aus der Zusicherung vom 02.05.2016 zu, beginnend am 01.11.2014. Dabei ist als Leistungsfall Oktober 2014 (Eintritt der Arbeitsunfähigkeit) anzunehmen, weil die Beklagte offensichtlich dieses Datum als Grundlage für ihre Zusicherung genommen hat. Da indes die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren ebenso wie in der Berufungsbegründung nur die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung „begründend auf einen Antrag vom 23.02.2016“ beantragt hat, ist nur eine Rente ab Februar 2016 Streitgegenstand. Dementsprechend war die Beklagte auch nur zur Gewährung der begehrten Rente ab dem 01.02.2016 zu verurteilen. Eine zeitliche Befristung der Rentengewährung ergibt sich aus der Zusicherung nicht, weshalb die Klägerin davon ausgehen durfte, dass eine unbefristete Rente bzw eine Rente auf Dauer zugesichert wurde. Offensichtlich ging die Beklagte auf Grundlage der Beurteilung durch Dr. M. von einer unwahrscheinlichen Behebung der Leistungsminderung aus (vgl § 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI). Schließlich wurde damals bei der Klägerin ein Plasmozytom (spezielle Form von Blutkrebs) diagnostiziert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.